Texte
Lisa Haselbek
Bildende Künstlerin

Ausschnitt aus einem Text von Armin Hauer, Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst, Frankfurt Oder, 2017
[…] Bereits ohne Berücksichtigung des eigentlichen Motivs in ihrem Oeuvre, das Licht, einschließlich dessen immateriellen Erscheinens, wirken die Konstruktionen profan und poetisch zugleich. Fällt auf die Objekte Licht, egal ob es aus einer gezielt eingesetzten Quelle stammt oder es eher ein diffuses des Alltages ist, ergeben sich Formindifferenzen und vom Objekt sich abhebende „Licht-Skulpturen“. Die Oberflächenstrukturen des Lichtreflektors verschwinden und er verliert für Momente seine Sichtbarkeit, je nachdem wo sich der Standort des Betrachters befindet. Ein auf ihn zustrebendes „Licht-Gebilde“ breitet sich blitzartig aus. Sachlich betrachtet, ist der Reflektor ein das Licht annehmendes und abgebendes Objekt. Er verweist auf das lichtgebende, wenn er seine lunare Funktion erfüllt und Licht zurück sendet. Die Strahlen streben ihrer Quelle entgegen und verbreiten sich zugleich im Raum. Der Betrachter befindet sich in einer bzw. vor einer Lichterscheinung. Im Straßenverkehr würde dieses Phänomen als Hinweis- oder Warnzeichen verstanden werden. Im Kunst-Raum bilden sich andere Prämissen der Wahrnehmung heraus. Diese können vom spielerischen Hin- und Hergehen bis hin zum philosophischen Sinnieren über Raum/Zeit, Materialität/ Immaterialität und ähnlichem mehr verführen.

Statement anlässlich der Ausstellung "Scheinwerfer Teil 2" im Kunstmuseum Celle mit Sammlung Robert Simon, 2014
Meine Arbeiten entwickeln sich aus einem erweiterten Verständnis von Malerei. Malerei als Malerei in Fläche, Raum und Zeit, Malerei die auf mehrere Bildträger und in den Raum expandiert, Malerei ohne Malerei und Malerei über Malerei, Malerei an der Schnittstelle zwischen freiem und dem durch Architektur definierten Raum.
Im Außenbereich des Museums sind mehrer kleine Objekte zu sehen. An unauffälligen Stellen in der Umgebung des Museums reagieren diese auf Licht und senden es zurück an den Betrachter, abhängig von dessen Position. Nur wer sich an dem Objekt vorbei bewegt, kann es erleben. Die reflektierenden Objekte und Bilder reagieren interaktiv auf das Licht in ihrem Umfeld, auf Sonnenstrahlen, auf das gespiegelte Licht von Fensterscheiben, auf Autoscheinwerfer – bereits das Aufglimmen einer Zigarette bringt die Markierungen im Dunkeln zum Leuchten.
Alle Objekte verweisen auf die Ausstellung, markieren als Signal die Nähe des Museums, bleiben dabei aber autonom Ihre interaktive Eigenschaft als reflektierendes Bild-Objekt reagiert auf den Betrachter als visuelle Erscheinung im Vorübergehen: Hello Goodbye...

Ausschnitt aus einem Text von Prof. Dr. Rainer Beck, HdBK Dresden, zu den Arbeiten mit Fahrrad-Reflektoren, 2013
[...]Der ehemalige Professor von Lisa Haselbek, Prof. Georg Karl Pfahler, nannte sie in einem Katalogtext eine 3-D Künstlerin. Er sah in ihrer Arbeit ein multiformales Bildereignis, das wie die Kunst im Barock, zur Architektur tendiert.
Dieser Trend zur Architektur ist auch in den aktuellen Arbeiten von Lisa Haselbek sichtbar, in denen sie Reflektoren auf Metallkonstruktionen schraubt, die auch im Außenraum installiert werden können. Die reflektierenden Bilder, die aus unzähligen einzelnen Elementen bestehen, können jederzeit auseinander genommen und wieder zu einem neuen Bildgefüge montiert werden. In Interaktion mit der Position des Betrachters und der gegenwärtigen Lichtsituation ermöglichen diese Bildwerke eine außerordentliche Erfahrung von Licht und Energie. Lisa Haselbek hat eine Methode entdeckt die ihr erlaubt Bildräume zu erschaffen, die sowohl temporär und mobil, als auch entgültig sein können, die interaktiv auf das Umgebungslicht und den Betrachter reagieren und sich mit der Architektur verbinden.

Ausschnitt aus einem Text von Prof. Dr. Rainer Beck, HdBK Dresden, anläßlich der Ausstellung im Toni-Merz-Museum 2009
[...] Sie ist in der Lage, die Entstehungsstadien ihrer Werke gleichsam fließend zu dokumentieren, mögliche Varianten und Entwicklungen zu simulieren und aufzuzeigen: So könnte es auch sein. Die Relativität unserer Entscheidungen wird sicht bar und führt in eine faszinierend unendliche Fülle von Möglichkeiten, in eine fließende Ästhetik. Wir empfinden Bewegung und Zeit, aber auch unsere Zeitlichkeit, die es uns nicht erlaubt, die Unendlichkeit der Möglichkeiten auszuschöpfen, den Zwang, immer wieder, ohne Kenntnis aller Möglichkeiten, entscheiden zumüssen.
Und so definiert sich urplötzlich aus dem Nebeneinander von Realisiertem und fließender Fiktion ein neues Verständnis des haptisch realisierten Kunstwerks: Nach der Unruhe der Suche wird eine Stille greifbar, die man als monumentale Wucht des statischen Zustands erlebt, die ihre Kraft aus angehaltener Dynaik zieht. In diese Stille hat Lisa Haselbek in ihren neuen Arbeiten jedoch den Vorläufigkeitscharakter ihrer bildnerischen Entscheidungen hineinkomponiert, indem sie den Kompositcharakter ihrer Werke durch Detailausdrucke, die in sich gleichfalls funktionierende Bildorganismen sind, deutlich macht. Diese Details sind somit als Ausschnitte Bild im Bilde, jederzeit fähig, auch für sich allein zu existieren und trotzdem Bestandteil eines größeren Ganzen. Unmittelbar wird dadurch der additive Charakter von Haselbeks Bildobjekten sichtbar und die Offenheit ihres Bildraums bewußt: In ihrer Ausschnitthaftigkeit sind sie in einen größeren, ja unendlichen Gesamtzusammenhang hineingedacht.
Exakt in diesem für uns unfaßbaren Vorgang findet der Dualismus zwischen Haptik und Fiktion, zwischen Realisation und Simulation in Lisa Haselbeks Kunst zu geistiger Einheit und hebt sich auf im Ungewissen.

Auszüge aus einem Text von Hajo Schiff, Journalist, Hamburg, anläßlich der Ausstellung im Künstlerhaus Lauenburg, 2006
Von der Dekonstruktion zur Rekonstruktion
[…] Wir Film- und Fernsehgeschulten, am Computer Arbeitenden und nahezu pausenlos, selbst noch mit unseren tragbaren Telephonapparaten digital Photographierenden mögen ein einzelnes Ölbild vielleicht aus nostalgischen Gründen schätzen, an seine einzigartige Notwendigkeit aber, mögen wir kaum noch glauben. Jedenfalls sind für uns heutige Kunstwerke keine idealen Letztformulierungen mehr (obwohl manche sich das vielleicht immer noch wünschen), sondern die Kunstwerke sind mehr oder weniger gute Erkenntnis-Werkzeuge in einem Prozess. Lisa Haselbek weiß das und so produziert sie nicht mehr nur einzelne, in sich komplexe Arbeiten. Sie bringt vielmehr einen ganzen Prozess ins Bild, einen viele Möglich¬keiten einschließenden Prozess, der die Re-Auratisierung des vorher dekonstruierten Bildes mit einschließt. Was bis zu dieser medialen Reflexion für Lisa Haselbek nur eine konsequente Entwicklungsreihe war, entpuppt sich so als ihr eigenes Vokabular, als künstlerisches Repertoire. [...] Lisa Haselbek wendet sich von der Dekonstruktion zur analytischen Rekonstruktion. Sie zerlegt das Bild in fotografisch oder malerisch zitierte Details, die anschließend von der Reproduktion wieder zum „Original“ und zu einem neuen System arrangiert werden. Der Aufbau ist dabei durch die Künstlerin optimiert, er könnte aber prinzipiell auch immer ganz anders sein – so wie es in den Animationen (z.B. der Serie „Alpenglühen) am Einzelbild vorgeführt wird. Auch hier ist die Ausbreitung der Möglichkeiten selbst zu einer neuen Darstellung geworden, die Wandlungen des Bildes wurden zu einem „Wandelbild“.